Samstag, 11. Dezember 2010
Der untote Altägypter krautsourct auch...
Ich hatte mal einen Kollegen, der war mit einer georgischen Frau verheiratet und hatte sich den georgischen Blick auf die Welt mit Leidenschaft zu eigen gemacht.

Wenn ich irgendetwas unabhängig von der eigentlichen Sache respektiere, dann Leidenschaft und Enthusiasmus, mit der jemand bei derselben ist.

Außerdem konnte der Kollege ohne Punkt und Komma reden. Das war sozusagen Radio Tiflis, fest eingestellt.

Und guten Wein von da hat er auch mitgebracht.

Das führte alles dazu, daß 'Georgien' auf meinem Radar auftaucht. Wir sollen alle Depeschen lesen & darüber berichten? Okay, gehe ich zu wikileaks.is, suche mir raus, was von der US-Botschaft Tblisi inzwischen auf deren Server steht, nehme mir die einzige Depesche von dort vor, die mit 'SECRET/NOFORN' gekennzeichnet ist, und lese die.

Ich schreibe ungern ernsthafte Schulaufsätze zum Textverständnis, also werde ich lieber einen laufenden Kommentar mit Aufzählungszeichen absondern, und dann den Originaltext in die Kommentare kippen.

Eins noch: Georgien ist uralt, es ist final fatal kompliziert, und die Leute da sind superheftig. Man kann nicht sagen, ob die gerade hochgradig raffiniert oder schlicht komplett durchgeknallt sind. Gnade dem armen Ammi, der mit nur mäßiger Ahnung in dieses Land kommt. Sie werden ihn zu wunderbaren Schlittenfahrten auf ihren wunderschönen Bergen mitnehmen, und er wird noch weniger kapieren als der im Vatikan. Außerdem sind in Georgien die Frauen wesentlich beeindruckender...
  • Die Zusammenfassung geht ja schon mal gut los: die Russen lügen wie gedruckt, und die Ammis lassen Georgien im Regen stehen, um das Verhältnis zu Russland zu verbessern. Der amerikanische Botschafter in Georgien werde jetzt mal eine Lanze für Georgien brechen. Die haben ihn ja schon ganz nett angebändigt.
  • Man solle Georgien wenigstens eine 'a modest, transparent defensive capability' verschaffen, denn in dem Krieg mit Russland während der olymphischen Spiele in Peking hat Georgien allerlei Material verloren, und seither (bis Juni 2009) nicht wieder aufgerüstet. Dieser Ammi frißt denen total aus der Hand; die Georgier sind ja tendenziell auch sehr überzeugend und schon mit jeder Art externer Macht fertig geworden. Römer, Perser, Byzantiner, Zarenreich, osmanisches Reich, Sovjetunion -- haben sie alles ausgesessen.
  • Die Georgier versprechen, auch in Afghanistan zu helfen. Das sollten die Ammis nicht ausschlagen -- zähes Bergvolk mit antirussischen Gefühlen? Die dürften da einen Startvorteil haben.
  • Der georgische Verteidigungsminister hat dem Botschafter anvertraut, die georgische Armee werde stärker reduziert als öffentlich behauptet, aber bloß nicht weitersagen, die Russen könnnten das ausnützen.
  • Georgien hält sich zurück wie verpflichtet, aber die Russen werden diese, diese und jene Lügen verbreiten. Sie wissen schon genau, was die behaupten werden, und nichts davon ist wahr.
  • Und Rinder klauen die Russen auch!! OMG was für ein archaischer Vorworf!
  • Es gibt keine Einflußsphären, sagen die Ammis, und sie sagen es den Russen immer wieder. Das mit dem 'Hinterhof' in Lateinamerika ist was gaaaaanz anderes, nehme ich mal an. Weil Russland keine Einflußsphäre hat, kann es auch nicht behaupten, Amerika würde in derselben wildern, wenn es Georgien in die NATO aufnimmt.
  • Wenigstens etwas historische Perspektive hat der Ammi: er bezieht sich auf das 'große Spiel' zwischen Rußland und dem englischen Empire (in Indien) im 19. Jhd, siehe Rudyard Kipling's Klassiker 'Kim'. Aber jetzt ist alles anders, denn 'U.S. policy seeks to enable independent countries to make their own choices'. Ha ha ha ha ha!!
  • Die Georgier sagen die Wahrheit, die Russen lügen. Und die Ammis sollten auf der Seite der Wahrheit sein. Man muß sich ja mit den Russen verstehen, aber die Georgier haben Recht. OMG der Botschafter frißt den Georgiern ja total aus der Hand. Sie haben ihn ihn nicht nur über den Tisch gezogen, sondern auch noch einen großen Konferenztisch mit seinem Schlips poliert.
  • Wenn man die Georgier dem Frieden mit Russland opfert, dann sorgt das nur dafür, daß die Russen frech werden und denken, sie dürften alles -- und das kann man denen ja nun wirklich absolut nicht durchgehen lassen! Also echt nicht. Man darf ihnen so etwas nicht auch noch durchgehen lassen, sonst machen sie es als nächstes in der Ukraine. Also, das ist der einzige Abschnitt, wo der Mann primär amerikanische Interessen vertritt und nicht georgische. Er erzählt allerdings auch den Amerikanern, warum ist richtig sei, georgische Interssen zu vertreten.
Also, Fazit: die Georgier haben den amerikanischen Botschafter angebändigt, bis er klang wie mein Kollege. Das können die offensichtlich genauso gut wie Weinanbau.-

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Wahnsinnswetter
In München tobt dieser Tage ein heftiger Kampf -- zwischen Föhn und Winter.

Nachdem am späten Sonntag Abend der Föhn einmarschiert war und das Kommando über die Stadt übernommen hatte (woraufhin sämtliche, über Wochen angelegte Schneevorräte des Winters binnen Tagen zum völligen Abschmelzen gebracht wurden, auch unter Einsatz eher dramatische Dachlawinen etc.), kehrte der Winter in der Nach von Mittwoch auf Donnerstag überraschend zurück. Zwischen Mitternacht und Mittag fiel die Temperatur von 12,5° auf unter den Gefrierpunkt; für reichlichen Nachschub an Schnee war generalsstabsmäßig gesorgt.

Völlig überraschend nahm jedoch der Föhn letzte Nacht die Stadt im Handstreich ein. Die charakteristischen schweren Tropf-Geräusche abtauenden Schnees auf trendigen Metalbalkonen erfüllen wieder die gentrifizierten Stadtteile. Das Füllen von Schneeschüsseln zu Katerunterhaltung ist unter den veränderten Kräfteverhältnissen schon gar nicht mehr möglich.

Vergeblich fordern Münchner Bürger eine Einstellung der meteorologischen Auseinandersetzungen auf ihrem Stadtgebiet. Beide Konfliktparteien betonen, daß München durch seine sonst so vorteilhafte geographische Lage dazu prädestiniert ist, im Laufe der Geschichte immer wieder zum Schlachtfeld der widerstreitenden Winde zu werden.-

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