Montag, 25. Dezember 2006
Das Leiden am Krippenspiel von E., Folge 4
Seit eine mir bekannte Sphinx in das Städtchen E. gezogen ist, tiefste, satte Provinz am Rande der dreckigen, hungrigen Großstadt, werde ich der Kinder wegen jedes Weihnachten mit in den 'Familiengottesdienst mit Krippenspiel' geschleppt.

Es ist die Strafe, die der Himmel für zynische Altägypter mit kulturellem Anspruch vorgesehen hat. Wer erwartet, daß der Kinderchor seine Noten geradeaus trifft oder eines der wildfremden Kinder sein Instrument beherrscht, der liegt schief. Wenn ein zu uns gehöriges Kind mitmachen würde, würde ich die Notwendigkeit unserer Anwesenheit gerade noch gegeben sehen, aber so - absolut nicht!!

In einem der früheren Jahre ist das Kamel der Heiligen Drei Könige zerbrochen, weil das Hinterteil in eine andere Richtung gelaufen ist als das Vorderteil - jedes dargestellt von einem anderen verzogenen Wohlstandsblag aus E. Ein anderes Mal wurden die Kulissen umgeworfen. Und der Pfarrer ist so bräsig-mundartlich, so kinderfreundlich-chaotisch-behäbig, daß man ihn am liebsten mit seinem eigenen Bäffchen erwürgen würde. Und als besonderer Gag ist dieses Jahr der Organist verlorengegangen, so daß alle zur Begleitung eines einzelnen Kindes mit halbkorrekter Querflöte singen mußten. Dazu waren die Mikrophone zu stark aufgedreht, so daß die niedlichen Piepsstimmchen so naßforsch-quakend herüberkamen, wie sie wirklich sind.

Aus irgend einem Grund geht anscheinend gerade ein altes französisches Weihnachtslied, das ich seit mindestens 20 Jahren besonders schätze, verstärkt Mainstream - nur kannte außer mir und noch einer der uns begleitenden Lady (nicht die Sphinx, die singt nicht, nur den Kindern vor, wenn sie sicher ist, keiner hört zu - Sphingen betreiben durchaus liebevolle Brutpflege) keiner dieses Lied, also haben wir zwei das ganze Städtchen E. niedergesungen, begleitet von sehr kritischen Blicken der Sphinx, weil ich mit ausgesprochener Stentorstimme in der allertiefsten Grabkammer (Keller langt nicht) gebrummt habe - das Querflötenkind hatte das Lied etwa eine Oktave zu tief angestimmt.

Aber wenigstens gab es witzige Stellen in dem Krippenspiel, das dieses Jahr aufgeführt wurde - im Text, nicht in der Ausführung. 'Schafherde von Engeln entführt!' ist witzig, oder zumindest war es das im Kontext der krippenspieltechnischen Verzweiflung.

Und das schreckliche, schreckliche, schreckliche Kind, das so grauenerregend schlecht Geige spielte und darauf noch zum Platzen stolz war, durfte dieses Jahr nicht spielen.

So fühlt sich das Glück an!

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