Ich will nicht noch einen Minicomputer spazierentragen
Lange Zeit trug ich in dem Rucksack, mit dem ich ins Miese Kaff zur Arbeit fuhr, drei Minicomputer spazieren: ein etwas ältliches Handy, dessen Infrarot-Schnittstelle nicht wirklich mit irgendwas kommunizierte, meine Kamera, für den Fall, daß ich unterwegs etwas wirklich Interessantes sehe (was ja auch schon gelegentlich passiert ist), und meinen MP3-Spieler, weil das Gesabbel der grauenhaften alten Weiber im Büsli hier im Miesen Kaff auch nicht einen Moment zu ertragen ist. Die legendäre Else Kling aus der Lindenstraße ist absolut nichts gegen deren laut quakend vorgetragenes Gewäsch über die Fehltritte von Nachbars Tochter, den verspannten Rücken, und den Tugenden der eigenen Verwandschaft in der Schweiz. Ich kann ja nicht meine Ohren abschalten, oder die deutsche Sprache in meinem Hirn kurzzeitig deaktivieren: - MP3-Player muß sein!

Jetzt hatte neulich leider das Handy einen Wahnsinnsanfall erlitten, im Rahmen dessen es plötzlich alle Tasteneingaben in der Mitte verdoppelte, und ich mailte einen mit bekannten gadget freak an, ob er nicht ein olles Handy irgendwo rumfliegen hat. Ich habe seit 1998 den gleichen Prepaid-Chip in Benutzung, das ist meine Nummer, die alle kennen, und dabei will ich auch bleiben, also kommt irgendein bescheuerter Handy-Vertrag nicht in Frage. Der freundliche gadget freak ist jemand, der große persönliche Freude an neuen technische Geräten hat, und sie definitiv nicht aufträgt; von ihm habe ich schon früher irgendwelche kleinteilige Hardware geerbt, zuerst einen Apple Newton, den ich etwa 1997 stolz in Benutzung nahm, bis er nach einigen Monaten mit allen Daten verreckte, und ich meinen alten Filofax wieder ausgrub. Der Genosse hatte nun nicht nur irgendein altes Handy rumfliegen, sondern ein Symbian-Smartphone von Nokia, das eigentlich alles kann, was ein iPhone auch kann, nur nicht so cool ist, und deshalb hatte der Genosse sich ein iPhone zu Weihnachten geschenkt. Das könne ich haben.

'So ein Glück,' denkt sich der untote Altägypter, 'jetzt muß ich statt drei Minicomputern nur noch einen spazierentragen!'

Und so ist es: die Musikwiedergabe ist weicher als bei meinem MP3-Player, die eingebaute Kamera macht mit Blitz und Zeiss-Optik Bilder, die zum Bloggen mehr als völlig ausreichen, und Telefonieren kann man damit wohl auch. SMSe kann man auf jeden Fall schreiben, das habe ich schon reichlich getan.

Was ich jetzt auf keinen Fall will, ist, noch einen Minicomputer spazierenzutragen. Fällt aus wegen ist nicht. Und schon gar nicht einen, auf dem in proprietärem Format Inhalte wiedergegeben werden, die man nur über eine Quelle beziehen kann, die man nirgendwo anders hin übertragen kann, und die diese eine proprietäre Quelle nimmt sich sogar heraus, einem die Inhalte nach Belieben wieder wegzunehmen.

Will sagen, ich kaufe ganz bestimmt keinen Kindle! Das Ding ist eine Sackgasse. Nicht nur will ich mich nicht jedem beliebigen Amazon Fail ausliefern: - was wäre wohl aus dem iPod geworden, wenn iTunes nur Stücke akzeptieren würde, die im iTunes Store gekauft worden sind, und sich weigern würde, CDs einzulesen oder irgendetwas in MP3 umzuwandeln?

Auf meinem cleveren kleinen Symbian-Gerät ist bereits ein PDF-Leser installiert (danke, lieber gadget freak!), da kann ich vorhandene E-Books (inklusive der works in progress meiner Online-Genossen, zu denen ich meinen Senf abgeben soll) einfach per USB-Kabel auf das Ding spielen, so wie ich auch Musik drauf- und Bilder runterschaufele, und wer es nicht nötig hat, seine Inhalte als PDF anzubieten?

Hat Pech gehabt.

Ich glaube, nicht mal mein Kumpel der gadget freak würde sich einen Kindle kaufen, wenn Amazon den jemals hier einführt.-

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