Vom Wiedergeliebtwerden
Als meine kleine Nichte vier Jahre alt war, kam ich mal mit dem Zug dort in der Provinz an, wo die Verwandschft wohnt, und sie stürzte sich voller echter Freude auf dem Bahnsteig auf mich.

"Verdammt," dachte ich, "das Blag hat mich ja wirklich lieb - womit habe ich das verdient?" Man investiert alle nötige Aufmerksamkeit und kleine Bestechungen in so eine kleine Lady, aber doch nicht, damit man dann geliebt wird - das ist extra und unerwartet.

So etwas ähnliches passiert mir zur Zeit auch mit meinem halbstarken Kater. Der ist kein Schmoller, sondern ein Schmuser. Wenn wir mal wieder aneinandergeraten sind, weil ich a) ihn vom Eßtisch geworfen habe b) dagegen war, daß er auf die sich erwärmende Herdplatte tritt c) ihm den vordersten, schärfsten Millimeter seiner Vorderkrallen gestutzt habe, dann geht er nicht etwa unterm Sofa schmollen, wie es das andere Katzerl tut, wenn es bei mir ist - dann kommt er bei der nächsten Gelegenheit an und muß furchtbar geknuddelt und gekrault werden, damit er sieht, daß ich ihn auch noch mag und ihm nicht böse bin.

Und wenn ich morgens die Tür aufmache und in die Küche herauskomme, wo der Kater geschlafen hat,* dann stürzt er sich auf mich und begrüßt mich heftig. Unter Umständen fällt die Wahl zwischen frischem Futter und mir beim Teetrinken sogar zugunsten von mir aus - nach den ersten drei oder fünf Bissen Futter, natürlich. "Verdammt," dachte ich mir heute früh, "der liebt mich wirklich - dabei habe ich ihn doch bloß angeschafft, damit ich abends diesen Schatten mit den dreieckigen Ohren in meinem Zimmer habe, der mir fehlte, wennd as andere Katzerl nicht da war. Mehr erwarte ich doch gar nicht von dem Katzenkerlchen. Und jetzt liebt er mich, inning un bedingungslos, wenn Katzen sowas tun - ich dachte, das tun bloß Hunde!"

Nun, wieviel ist wirklich 'Liebe' und wieviel ist bloß Programmierung, weil man mich mit angenehmen Dingen verbindet? Das kann ich nicht sagen; das kann man auch bei einem vierjährigen Kind nicht sagen. Ist nicht alle Liebe irgendwo nur Konditionierung? Hat eine Katze Gefühle? Wie lernte ein Mensch 'Gefühle'? Vermenschlichen wir die Reaktionen unserer Haustiere, oder ist es vielmehr so, daß wir uns als Menschen einen Sonderstatus anmaßen, der uns gar nicht zusteht? Fragen über Fragen, und das alles nur wegen einem halbstarken roten Kater oder einer kleinen rothaarigen Lady.-

Das war jetzt mal was Besinnliches zu Weihnachtszeit - ich bin jatzt mal weg, lasse den Kater in der Obhut der Katzerlbesitzerin und des Nazgul, und fahre zur kleinen Lady wg. Weihnachten!

* Ich bin nicht der Meinung, daß es Katzenrecht ist, im Menschenbett zu schlafen und den Menschen nachts beim Umdrehen zu stören - und die Lady, von der ich den Kater habe, hat mich sehr darin bestärkt!

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petersilie, Freitag, 22. Dezember 2006, 12:06
In seinem Bett kann jeder machen was er will - mein Kater, Herr H., war mir jahrelang ein "Bettgenosse" und meinen ewigkalten Füßen eine Wärmflasche, seit die Katze, Frau F., eingezogen ist, hat er ja sie nachts zur Gesellschaft - und ehrlich gesagt, ist mir das auch angenehmer, so 'rum.

Was "Gefühle" betrifft: Ich lebe nun schon mein Leben lang mit "Haustieren" zusammen und für mich selbst bin ich dahintergekommen, daß es wohl reichlich arrogant wäre, zu behaupten, der Mensch sei das einzige Wesen mit Gefühl - im Gegentum: Ich habe Hunde, Katzen und Pferde kennengelernt, die weitaus sensibler waren, als einige meiner Mitmenschen, und was bitte ist "Sensibilität" anderes als "Gefühl"?

Das Verhalten Ihres Katers kenne ich von Frau F. - wenn die Murks gebaut hat, kommt sie auch regelmäßig an und braucht die Bestätigung, daß sie noch das Schätzchen ist. Darüber hinaus hat sie die Angewohnheit, sich lautstark selbst zu verpetzen (wenn sie was anstellt kommt sie an und schreit solange, bis man ihr hinterherläuft, und sie einem die schöne Bescherung zeigt...Herr H. macht da eher ein demonstrativ-unbeteiligtes Gesicht und "tut überrascht", wenn man ihn eines Verbrechens überführt.)
Angesichts solch verschiedener Charaktere liegt die Mutmaßung verschiedener Gefühlswelten ja nicht ganz fern.

Ob diese ganzen "Gefühle" (sowohl menschliche als auch tierische) nun Konditionierung, göttlicher Funke oder biochemische Vorgänge sind ist mir eigentlich egal - jedenfalls sind sie da. Da kann man sich ihrer doch einfach erfreuen, oder?

sethos, Samstag, 23. Dezember 2006, 11:36
Oh ja - ich freue mich daran, das ist ganz richtig. Aber mit einem gewissen Erstaunen, das einen Beigeschmack von 'Womit habe ich das bloß verdient?' hat - im positiven Sinne. Katzen sind extreme Individualisten, das sehe ich aus der Beobachtung von meinem halbstarken Kater und dem Katzerl von oben. Und ich sehe ja, wie sehr meine eigenen Gefühle Produkt der Umstände sind - wenn mit richtig kalt ist, zum Beispiel, dann ist es wesentlich wahrscheinlicher, daß ich die Welt im allgemeinen beschissen finde.

Persönlich bin ich auch der Meinung, daß sich die Menschen ihre Sonderstellung auch eher angemaßt haben, als daß sie ihr naturgegebenes Recht wäre, aber deswegen habe ich im Lauf der Jahrzehnte schon einige flame wars durchgestanden...