Mittwoch, 12. Mai 2010
Realitätenkollision
Irgendwie kommt dieser Artikel dem Grund des Problems vielleicht recht nahe, auch wenn es vordergründig eine aktuelle Meldung ist.

Die katholische Kirche klammert sich an eine Separatrealität, die mit der eines pluralistischen, demokratischen Rechtsstaats nichts zu tun hat. Sie sind es seit Jahrtausenden gewöhnt, daß das, was sie intern so hirnen, auch außen respektiert und als real angesehen wird. Anhand des ganzen kaskadierenden Mißbrauchsskandals (der jetzt erst ausbricht, wegen des Bedeutungswandels, den Kinder und Kindheit in den letzten 20 Jahren durchlaufen haben) wird jetzt aber die gesamte Realität der kirchlichen Konstrukts in Frage gestellt. Da bleibt hinterher nichts mehr stehen. Katholische Kirche dürfte weiterexistieren, aber ihren weltweiten Absolutheitsanspruch werden sie von innen aufgeben müssen.

Auf der anderen Seite ist der pluralistische, demokratische Rechtsstaat selbst in Bedrängnis: - durch die Separatrealität einer globalen, von Standort und Menschen entkoppelten Wirtschaft. Sie verbreiten das Dogma von der Selbstregulation der Märkte als Naturgesetz, dem sich jeder selbstverständlich anzupassen hat, oder er ist so rückschrittlich wie ein 'flat earther'. Mich persönlich erinnert das an die unglaublich düsteren Dystopien von Ricardo Pinto, in dessen komplexer Science-Fiction-Welt eine extrem rigide Gesellschaft herrscht, in der alle ganz furchtbar leiden, aber niemand das geringste davon hat; das System perpetuiert sich aber dermaßen selbst, daß sogar ein Rebell von ganz oben es nicht schafft, es anzuhalten oder daraus auszusteigen. Den Top-Managern und Bankern gebricht es schließlich massiv an Lebensqualität, sie sind in Zeit, Bewegungsfreiheit und Spontaneität genauso eingeschränkt wie Pintos maskentragender theokratischer Adel. Oder irgendein Kardinal oder Papst.

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